Ein Meer von bunten Fahnen bewegt sich durch die Wittener Bahnhofstraße. Über 250 Wittener Bürger kamen zur friedlichen Demonstration des Bündnis Witten gegen Verschwörungswahn am vergangenen Sonntag (22.03.2015). Im Vorfeld hatte das Bündnis im Rahmen eines Vortrags- und Diskussionsabends über den „1. Alternativen Wissenskongress“ im Saalbau informiert – eine Veranstaltung, die wie vermutet, durch rechtspopulistische und PEGIDA-nahe Aussagen auffiel.
Vor den Augen der Demonstranten: Die Adressaten ihres Protests. Der ausverkaufte Saalbau füllt sich nur langsam. Die Gäste schauen verwirrt zu dem bunten Fahnenmeer herüber, viele zücken ihre Handys und machen Fotos und Videos – ganz so, als wüssten sie selbst nicht, wo sie eigentlich gerade gelandet sind. „Wirklich erschreckend ist, wer den Kongress eigentlich besucht. Das sind keine typischen Nazis, das sind Menschen, die unsere Nachbarn sein könnten“, sagt Bündnismitglied Philip Raillon. An diesem Sonntag wird deutlich: Die rechten Parolen graben sich langsam in die Mitte der Gesellschaft – eine Entwicklung, die das Bündnis nicht hinnehmen mag. „Wir wollen unser Recht auf Meinungsfreiheit nutzen. Die Aussagen der rechten Verschwörungstheoretiker darf man nicht unkommentiert stehen lassen, sondern muss ihnen mit demokratischen Mitteln begegnen und die Bürger informieren.“, so Bündnismitglied Stefan Borggraefe. Das kam offenbar auch im Saalbau an. Immer wieder nahmen die Redner Bezug auf die Demonstranten vor der Tür, bezeichneten sie, wie Teilnehmer berichteten, als „rot-lackierte Faschisten“ und bläuten den Besuchern ein, die Demonstranten seien für ihren Protest von Aggressoren bezahlt worden – Aussagen, die mit der Wahrheit natürlich nichts zu tun haben. Und auch die Presse, die als Teil der politischen Gesellschaft unersetzlich ist, kam bei diesem „Kongress“ nicht gut weg, wurde als „Lügenpresse“ verunglimpft. Aussagen, die das Wittener Bündnis scharf verurteilt.
Lediglich zwei Wermutstropfen verbleiben: Leider reihten sich nicht alle demokratischen Wittener Ratsparteien ein. Es fehlten CDU, LINKE und FDP. Bedauerlicherweise musste das Bündnis aus der lokalen Presse erfahren, dass die Junge Union sich kurzfristig mit der Aussage „Wir werden nicht mit Linksradikalen demonstrieren“ aus dem Bündnis verabschiedete. Das breite Wittener Bündnis erhofft sich für die Zukunft trotzdem eine Beteiligung auch dieser Parteien. Denn – und das ist der zweite Wermutstropfen – die Veranstalter des „1. Alternativen Wissenskongress“ würden gerne wieder zurück in das „schöne Witten“ kommen. Eine Aussage, die das Bündnis in ihrem Protest bestärkt. „Wir werden alles dafür tun, um zu verhindern, dass ein zweiter Kongress dieser Art in Witten stattfindet und dem Kulturforum in Zukunft genauer auf die Finger schauen! Eine solche Veranstaltung schadet dem Bild unserer Stadt massiv“, sagte Bündnismitglied Joris Immenhauser.
Immerhin: Während der „1. Alternative Wissenskongress“ mit seinen schrägen Theorien am Sonntagabend aus Witten erst einmal wieder verschwand, bleibt der Bevölkerung der Ruhrstadt ein breites politisches Bündnis in Erinnerung. Ein Bündnis, das sich friedlich für Meinungsfreiheit und die Demokratie eingesetzt hat. Danke an alle, die dabei waren!